Digital-räumliche Bestandsanalyse

Ein gutes Verständnis des Ist-Zustands im Quartier bzw. in der Gemeinde als Erfolgsfaktor für den gesamten IDEK-Prozess

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Um auf den Bezugsraum zugeschnittene Ziele und Maßnahmen zu entwickeln, ist ein Verständnis der räumlichen Bestandssituation unerlässlich. Mit der digital-räumlichen Bestandsanalyse wird der aktuelle Entwicklungsstand eines klar abgegrenzten Gebiets als Ausgangspunkt für die Entwicklung von räumlichen und digitalen Zielen und Maßnahmen erfasst. Die digital-räumliche Bestandsanalyse betrachtet sowohl die klassischen Handlungsfelder eines integrierten städtebaulichen Entwicklungskonzepts (ISEK) als auch das neue Handlungsfeld Digitalisierung. Zusätzlich können langfristige gesamtgesellschaftliche Entwicklungen als „Zukunftstrends“ auf den Analyseraum bezogen und daraus räumliche Anpassungsbedarfe abgeleitet werden.

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Schematische Darstellung der Einbeziehung des Handlungsfelds Digitalisierung in die digital-räumliche Bestandsanalyse  © Bayerisches Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr

Der gewünschte Umfang der Bestandsanalyse sollte von Beginn an klar umrissen werden, sowohl in Hinblick auf die thematische Breite als auch auf die inhaltliche Tiefe der Analyse. Kann eine Gemeinde bereits auf Erfahrungen der ISEK-Erstellung aufbauen, ist es möglich, die digital-räumliche Bestandsanalyse für das integrierte digital-städtebauliche Entwicklungskonzept (IDEK) analog zur ISEK-Bestandsanalyse zu erarbeiten. Außerdem sollte je nach räumlicher Ausgangssituation eine angemessene Maßstäblichkeit für die Erfassung des Bezugsraums gewählt werden. Handelt es sich um einen interkommunalen Zusammenschluss, also um die Betrachtung einer Region, ist der Detaillierungsgrad der Analyse abstrakter zu veranschlagen als für die Analyse des Teilgebiets einer Gemeinde.

Hinweis Ausgangssituation interkommunaler Zusammenschluss:

Als Basis für alle weiteren Prozessschritte sollte bei der Zusammenarbeit mehrerer Gemeinden in kommunalen Zusammenschlüssen früh im Prozess ein deutlicher Fokus auf ein gemeinsames Verständnis und die Ziele der IDEK-Entwicklung gelegt werden. Die verwaltungsinterne Absprache über vorhandene Daten, die in die digital-räumliche Bestandsanalyse einbezogen werden können, schafft eine gute Vergleichsgrundlage zwischen den Gemeinden.


Prozessschritte der digital-räumlichen Bestandsanalyse

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Die digital-räumliche Bestandsanalyse besteht aus drei Schritten: Zu Beginn werden vorhandene Planungsdokumente gesichtet. Es werden außerdem die Handlungsfelder für die Analyse bestimmt. Unter Einbeziehung der ausgewählten Dokumente und vorhandener gebietsbezogener Daten werden die Handlungsfelder analysiert. Außerdem ist die Erfassung relevanter Akteure hilfreich, um ortsbezogene und praxisnahe Erfahrungswerte in der Konzepterstellung zu berücksichtigen.

Blick auf übermorgen

Die Berücksichtigung von Zukunftstrends erlaubt es einer Kommune, „mit Blick auf übermorgen“ zu planen

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Zukunftstrends beschreiben langfristige und weitreichende Entwicklungen, die eine Vielzahl an Lebensbereichen betreffen und gesellschaftliche Veränderungsprozesse mit sich bringen. Beispiele dafür sind der Klimawandel oder der demografische Wandel. Mit dem IDEK wird der Zukunftstrend der digitalen Transformation in der Erstellung räumlicher Entwicklungskonzepte verankert. Aber auch andere übergeordnete Prozesse gesellschaftlichen Wandels können bei der Erstellung von IDEKs Berücksichtigung finden, um die Zukunftsorientierung und Haltbarkeitszeit der kommunalen Entwicklungsvorstellungen des IDEKs sicherzustellen. Durch die Bezugnahme auf Zukunftstrends wird die Frage aufgeworfen, wie sich das Quartier, die Gemeinde oder der Gemeindeverbund „mit Blick auf übermorgen“ anpassen muss, um zukunftsfähig zu bleiben. So können die Trends als Wegweiser für langfristige strategische Planungen einbezogen werden.

Zentrale Fragestellungen zur Berücksichtigung von Zukunftstrends:

  • Welche Zukunftstrends lassen sich auf das Quartier, die Gemeinde bzw. den Gemeindeverbund übertragen?
  • Welche übergeordneten Handlungserfordernisse zeigen die Zukunftstrends auf?
  • Gibt es konkrete Handlungsfelder, auf die sich die Zukunftstrends bzw. deren Auswirkungen übertragen lassen?

IDEK-Handlungsfelder

Beim IDEK werden die klassischen ISEK-Handlungsfelder durch das neue Handlungsfeld Digitalisierung ergänzt

Für die Erfassung der klassischen ISEK-Handlungsfelder ist es sinnvoll, in einem ersten Schritt bestehende räumliche Konzepte und Planungsgrundlagen zu sichten und systematisch aufzubereiten.

Beispielsweise können – sofern vorhanden – folgende räumliche Konzepte und Planungsgrundlagen in die Analyse einbezogen werden:

  • Bestehende ISEKs oder ILEKs
  • Regionale Entwicklungskonzepte oder -strategien
  • Masterpläne für Quartiere
  • Rahmenpläne
  • Verkehrsuntersuchungen und Verkehrsentwicklungspläne (VEPs) bzw. Mobilitätskonzepte
  • Klimaschutz- und Energiekonzepte
  • Handlungsraumkonzepte
  • Daseinsvorsorgekonzepte
  • Formelle Planungen wie Regionalpläne, Flächennutzungspläne, Bebauungspläne
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Bei der Sichtung und Aufbereitung relevanter Planungsunterlagen sollte eine zielorientierte und strukturierte Herangehensweise gewählt werden. Räumliche bzw. sozial-räumliche Handlungsfelder bilden die Grundlage für eine solche Vorgehensweise. Sie können aus bestehenden Planungskonzepten übernommen oder – bei einer Neuaufstellung – neu festgelegt werden. Im Rahmen der Analyse der Handlungsfelder werden räumliche und sozio-demografische Daten, vorhandene (räumliche) Strukturen, Entwicklungspotenziale, Akteure und Aktivitäten erfasst und dargestellt. Weisen bestehende Konzepte in ihren Bestandsanalysen inhaltliche Lücken auf oder fehlen für das IDEK relevante Grundlagen, sollten die Handlungsfelder aktualisiert und ergänzt werden. Die Auswahl der zu analysierenden Daten ist so zu treffen, dass die Datenaufbereitung, -analyse und -bewertung in einem angemessenen Aufwand und mit einem klaren Nutzen geschehen kann. Dabei sollte – wo möglich – auf bereits vorhandene, aufbereitete Datensätze der Verwaltung und von dritter Seite zurückgegriffen werden.

Zu den klassischen (sozial-)räumlichen Handlungsfeldern zählen beispielsweise:

  • Bildung
  • Energie, Klima, Umwelt
  • Gesundheit
  • Mobilität & Verkehr
  • Öffentlichkeitsarbeit, Partizipation
  • Soziales
  • Städtebau, Quartiersentwicklung, Freiraumangebot
  • Tourismus, Freizeit, Kultur, Sport
  • Wirtschaft, Einzelhandel, wirtschaftsnahe Infrastruktur
  • Wohnen & Demografie

Das neue Handlungsfeld Digitalisierung

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Im Rahmen der digital-räumlichen Bestandsanalyse werden die klassischen Handlungsfelder um das neue Handlungsfeld Digitalisierung ergänzt. Mit dem neuen Handlungsfeld wird das Ziel verfolgt, den Digitalisierungsstand des Bezugsraums zu erfassen. Dafür können bestehende Digitalisierungskonzepte und -strategien, der Digitalisierungsstand der Verwaltung, bestehende Smart City-Maßnahmen und andere digitale Projekte erfasst und dargestellt werden. Auch hier sind der Untersuchungsausschnitt und die Auswahl der in die Analyse einzubeziehenden Daten zielorientiert zu wählen. Die Suche nach Schnittstellen für das IDEK in räumlichen Planungswerken ist oft fruchtbarer für die nächsten Prozessschritte als die Fokussierung auf übergeordnete Strategien. Dabei sollte unbedingt beachtet werden, dass sich die Datenstände zum digitalen Strukturausbau schnell verändern können. Wenn möglich, sollten digitale Bestandsdaten regelmäßig aktualisiert oder über einen Zugang zu Datenbanken abgefragt werden.

Mögliche Indikatoren für die Analyse des Handlungsfelds Digitalisierung sind:

  • Datenverfügbarkeit, kommunales Datenmanagement
  • IT-Infrastruktur und digitale Werkzeuge/-Tools
  • Datenschutz
  • IT-Personal und Kompetenzen in der Verwaltung bzw. in kommunalen Unternehmen
  • digitale Prozesse in der Verwaltung bzw. in kommunalen Unternehmen
  • digitale Dienste und Angebote der Kommune
  • bestehende Digitalisierungs-/Smart City-Initiativen innerhalb der Modellkommune
  • digitale Anwendungspotenziale in räumlichen Handlungsfeldern
  • weiterhin wichtig: „Digitale Kultur/Digitale Teilhabe/Digitale Kompetenz“, d. h. die Offenheit und Kompetenz von Akteuren aus Verwaltung, Bürgerschaft und Wirtschaft im Kontext der Digitalisierung einerseits sowie die Zugänglichkeit zu digitalen Angeboten (z. B. im Bildungsbereich) andererseits.

Erfassung relevanter Akteure

Die Erfassung der relevanten Akteure hilft dabei, die Praxisperspektive bei der Zielentwicklung und Maßnahmenerarbeitung zu berücksichtigen

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Neben der Sichtung und Aufbereitung der Planungsunterlagen sowie der Analyse der gewählten Handlungsfelder ist die Ermittlung relevanter Akteure und Zielgruppen im Bezugsraum hilfreich, insbesondere wenn es um die Erfassung des Handlungsfelds Digitalisierung geht. Es sollte beispielsweise erfasst werden, ob im Bezugsraum bereits etablierte Akteure digitaler Branchen ansässig sind oder ob Hochschulen oder soziale Einrichtungen sich bereits mit dem Thema Digitalisierung befassen. Ihre Erfahrungswerte sind eine wichtige Bezugsgröße für die weiteren IDEK-Prozessschritte. Akteure mit Digitalisierungsschwerpunkt stellen beispielsweise wichtige Anknüpfungspunkte für die Entwicklung und Durchführung von Maßnahmen im Zuge der Konzepterarbeitung und -umsetzung dar. Deshalb sollte die Anbahnung von verwaltungsexternen Kontakten zur Ausarbeitung und Umsetzung von Maßnahmen bereits in den frühen Prozessschritten vorbereitet und angestoßen werden.

Folgende Akteursgruppen können in die Erfassung des Akteursfelds einbezogen werden:

  • Akteursgruppen innerhalb der Verwaltung(en)
  • Akteursgruppen innerhalb der Unternehmen, die an die Kommune(n) angedockt sind
  • Akteursgruppen innerhalb der kommunalen/interkommunalen Akteurslandschaft, u. a. Wirtschaftsvereinigungen, Wirtschaftsförderung und einzelne Schlüsselunternehmen, wissenschaftliche Einrichtungen, Bildungseinrichtungen, Zivilgesellschaft und Vereine, Landratsamt oder Nachbargemeinden.

Hinweis Ausgangssituation Neubauquartier:

Bei Neubauquartieren ist die Entscheidung über die Zusammenstellung der zu beteiligenden Akteure eine besondere Herausforderung. Einerseits sollte die Bevölkerung aus den angrenzenden Quartieren in Form einer Öffentlichkeits- und Betroffenenbeteiligung eingebunden werden, andererseits müssen auch die Interessen der zukünftigen Wohnbevölkerung im Prozess repräsentiert werden. Die Verantwortungsträger/-innen in der Verwaltung sollten vorausschauend entscheiden, wie Digitalisierung langfristig im Quartier mitgedacht werden soll, ob Schnittstellen zur Umgebung bzw. der Gesamtstadt möglich sind und wie digitale Akteure im Sinne einer Standortaktivierung ins Quartier gezogen werden können.

Praxisbeispiel: Umfassendes Akteursmapping bei Deggendorf und Plattling 

Darstellung der Kompetenzschwerpunkte in einem Spinnennetz-Diagramm  © Bayerisches Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr

Im Rahmen der digital-räumlichen Bestandsanalyse wurde für Deggendorf und Plattling eine Analyse des Digitalisierungsstandes der regionalen Akteure durchgeführt und ansprechend aufbereitet. Grundlage dafür bildeten Interviews mit 21 Expert/-innen der beiden Städte, den Stadtwerken sowie der Technischen Hochschule Deggendorf und anderen digitalen Pionieren wie Gründerzentren, Start-ups und lokalen Unternehmen. Anschließend wurde mithilfe eines Bewertungsschemas für elf Themenfelder (z. B. IT-Infrastruktur, Nutzung digitaler Werkzeuge und Tools oder Smart City-Innovationen) eine Bewertung vorgenommen. Die Ergebnisse wurden in einem Spinnennetzdiagramm dargestellt. Das Diagramm veranschaulicht, wie unterschiedlich die regionalen Akteure in Hinblick auf verschiedene Digitalisierungsaspekte aufgestellt sind und zeigt, welche Themenfelder zukünftig stärker in den Fokus der gemeindlichen Digitalisierungsbemühungen genommen werden sollten.

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Praxisbeispiel: Ansprechende Aufbereitung räumlicher Daten für das Nördliche Fichtelgebirge

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Website zur interaktiven Erkundung der IDEK-Inhalte  © Bayerisches Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr

Die Inhalte der digital-räumlichen Bestandsanalyse für das Nördliche Fichtelgebirge wurden der Öffentlichkeit auf einer interaktiven Website als „Digitaler Marktplatz“ zur Verfügung gestellt. Die aufbereiteten räumlichen Daten veranschaulichen eine Fülle an Informationen, die von reinen Flächenzuordnungen, über Verortungen von Digitalisierungsprojekten bis hin zur Darstellung von Mobilitätsradien reichen. Den grafischen Elementen wurden virtuelle Personen, die die in der Region typischerweise vertretenen Bevölkerungsgruppen abbilden, zugeordnet. Durch die gewählte erzählerische Darstellungsweise werden die Inhalte der Bestandsanalyse niedrigschwellig vermittelt.

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